1 April 2008

Interview mit TomᚠMrázek und Helena Lipenska

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Mit kalten Fingern in den achten Grad
Im Interview mit TomᚠMrázek und Helena Lipenska

Es sei „viel zu kalt für Spanien und viel zu kalt zum Klettern“, klagen TomᚠMrázek und Helena Lipenska an jenem Tag Ende Februar. Die beiden Tschechen nutzten den wettkampffreien Monat um sich rund um die Stadt Lleida in Katalonien ein wenig am Fels auszutoben. In der Höhle von Santa Linya hatten sie viel Zeit für ein Gespräch - bis das Lagerfeuer endlich brannte und die Finger für den achten Grad vorgewärmt werden konnten. Dann wurde nicht mehr geplaudert, nur noch geklettert. TomᚠAusbeute waren immerhin sieben 8c+ an 10 Reisetagen.

Von Annika Müller

Ihr seid nicht zum ersten Mal hier in der Höhle von St. Linya. Was reizt Euch an diesem Ort?

Tomáš: Wir waren das erste Mal vor zwei Jahren hier. Als ich die Höhle damals sah, dachte ich nur: „Wow, die ist ja riesig!“. Wenn man die Routen klettert nehmen sie überhaupt kein Ende!

Helena: Ja. Wir haben noch nie vorher so eine riesige Höhle gesehen.

Ihr seid eben erst angekommen, welche Touren habt ihr Euch vorgenommen?

Tomáš: Das letzte Mal habe ich alle 8b onsight geklettert und einige 8c. Novena Enmienda (9a) habe ich einmal probiert und bin bis zum ersten Umlenker gekommen. Ich muss noch ein wenig üben, aber ich denke es ist machbar.

In Euren Wettkampfpausen seid Ihr ständig unterwegs um jeden Fels in Europa kennen zu lernen. Welche Gebiete haben den nachhaltigsten Eindruck bei Euch hinterlassen?

Tomáš: Für mich ist die Region Lleida eindeutig eine ideale Sportkletterregion. Hier findet man dicht beieinander die besten Wände Europas. Naja, die besten ist vielleicht zuviel gesagt, aber zumindest die schönsten. Und Siruana ist auch recht nah. Für mich ist es hier einfach super.

Welche Ecke Europas könnt Ihr sonst noch empfehlen? 

Helena: Wir klettern auch sehr gerne in der Gegend um Nice. Hier gibt es unheimlich viele reizvolle Klettergebiete. Frankreich mag ich generell sehr gerne.

Tomáš: Na ja, das wichtigste ist unterwegs zu sein und verschiedene Ecken kennen zu lernen. Man könnte jetzt auch einfach einen Monat oder länger hier in Santa Linya bleiben, bis man alle Touren geklettert hat, aber es ist viel interessanter, die Orte zu wechseln. Für mich ist das Reisen sehr wichtig.

In der Wettkampfsaison habt Ihr allerdings vermutlich kaum Zeit, nach Lust und Laune Klettergebiete abzuklappern?

Tomáš: Ja. Das ist wohl wahr. Wir reisen natürlich auch viel während der Wettkämpfe, aber in der Regel sehen wir da nur die Hallen. Das ist sehr schade.

Und worauf wollt ihr Euch dieses Jahr konzentrieren? Wieder mehr auf die Wettkämpfe oder werdet Ihr Euch doch ein wenig mehr Zeit für den Fels nehmen? 

Tomáš: Ich versuche mich ein wenig in den Wettkämpfen zurückzunehmen. Im letzten Jahr bin ich in beiden Disziplinen Boulder und Lead angetreten. Das waren dann insgesamt etwa 25 Wettkämpfe und das war einfach nur Horror. Ich brauche mehr Zeit am Fels. Ich werde in diesem Jahr darum nur Lead klettern.

Also bedeutet Dir persönlich das Felsklettern mehr als die Wettkämpfe?

Tomáš: Das kann man so nicht sagen. Aber man braucht Abwechslung. Man kann nicht nur an Plastik klettern. Aber man kann auch nicht ausschließlich am Fels sein, weil man hier einfach nicht so effizient trainieren kann.

Und die Wettkämpfe an sich haben doch bestimmt auch ihren Reiz?

Tomáš: Ja natürlich. Es ist wichtig, dass die Leute auch sehen, wie wir klettern. Hier in der Höhle sind wir nur unter Spitzenkletterern. Auf einem Wettkampf feuern uns bis zu tausend Leute an, das ist etwas völlig anderes.

Und man lernt auch mehr Leute kennen als draußen, oder?

Helena: Ja, aber hier ist ja auch alles voll mit Leuten, die wir von Wettkämpfen kennen (lacht). Eigentlich klettern wir ja am liebsten an einsameren Orten.

Ja. Es gleicht fast einem Familientreffen hier. Welche Bedeutungen haben Freundschaften innerhalb des Klettersports? 

Helena: Sie sind sehr wichtig. Bis vor einigen Jahren gab es sehr viele geschlossene Gruppen unter Kletterern. Die französischen Kletterer und die italienischen blieben beispielsweise lieber unter sich. Aber ich glaube es ändert sich gerade ein bisschen. Die Leute gehen offener miteinander um, wenn sie sich am Felsen treffen. Vor einigen Jahren gab es noch viel mehr Druck und Konkurrenz.  

Tomáš: Ja, es sind alle viel entspannter als früher. Es gibt viel weniger Neid. 

Helena: Es ist auch ein Unterschied, ob man Lead oder Boulder klettert. Im Boulder sind die Leute insgesamt freundlicher. Ich weiß allerdings nicht warum.

Gibt es Kletterer, die für Euch besonders wichtig sind? 

Helena: Alle, die gerade hier sind beispielsweise.

Tomáš: Ich glaube ja tatsächlich daran, dass wir Kletterer alle eine große Familie sind. Natürlich gibt es, wie Helena erwähnt hat, einige Gruppen, die sich ausschließen, aber insbesondere hier in Spanien unterstützen sich alle gegenseitig.

Könnt Ihr nationale Unterschiede zwischen der spanischen und der tschechischen Kletterszene erkennen?

Tomáš: Ja. Das fängt damit an, dass in Spanien, wo das ganze Jahr über geklettert werden kann, die Leute viel mehr draußen sind. Das ist bei uns einfach nicht möglich. Wir haben außerdem keine so schwierigen Wände.

Welche Art von Fels bevorzugt Ihr?

Tomáš: Hauptsache überhängend. Es gibt wenig Routen im Bereich 8b an senkrechten Wänden. Aber eigentlich klettere ich auch mal gerne einfache Strecken, in denen man die Bewegungen voll auskosten kann.

Und was war das beste Routenerlebnis bisher?

Tomáš: Die beste Route ist immer die, die ich gerade mache.

Helena: Es ist immer ein Erlebnis, einen neuen Grad zu erschließen. Die erste 6c, die erste 7a, die erste 8, das sind die Momente, die glaube ich keiner vergisst.

Und wie lange hält bei Euch die Befriedigung an, wenn Ihr einen neuen Grad geknackt oder eine wirklich herausfordernde Route bewältigt habt? Strebt Ihr sofort wieder nach neuen Herausforderungen oder könnt Ihr ein Weilchen mit Euch zufrieden sein?

Tomáš: Ich bin nie zufrieden. Bei mir muss es gleich weitergehen. Ich stecke mir ohnehin keine besonders hohen Ziele. Ich will einfach nur klettern. Ich MUSS klettern. Egal was.

Das klingt so, als würdest Du das Klettern eher spielerisch angehen. Sind Dir Schwierigkeitsgrade völlig gleichgültig?

Tomas: Am Felsen denke ich da tatsächlich nicht so viel darüber nach. Da will ich genießen. In Wettkämpfen ist das total anders. Da geht es nur um Schwierigkeitsgrade und darum, wer der Beste ist. 

Wo seht Ihr Eure jeweiligen Stärken im Klettern?

Helena: Ich kann mich eindeutig am Besten im Boulder wiederfinden?

Tomáš: Ich kann gar nicht sagen, worin ich besser bin. Im Outdoor-Klettern vielleicht.

Big Wall oder Alpinklettern wäre das auch was für Euch?

Helena: Für mich nicht. Ich bin superängstlich. Wenn ich ein paar Meter über dem Haken bin, werde ich wahnsinnig nervös.

Tomáš: Im Moment muss ich mich auf das konzentrieren, was ich ohnehin schon machen. Aber für die Zukunft schließe ich nichts aus.

Wie seid Ihr zum Klettern gekommen?

Tomáš: Mich haben Freunde mitgenommen als ich vierzehn war und nachdem ich es das erste Mal probiert habe, wollte ich nur noch klettern. Ich hatte weder Schuhe noch Gurt, aber bin sofort ohne Seil überall hinauf. Diese ersten Jahre waren ganz schön gefährlich.

Helena: Mich hat es auch sofort gepackt. Allerdings war ich schon 18 als ich angefangen habe zu klettern. So ein später Einstieg ist ganz schön schwierig.

Und habt Ihr noch Zeit für andere Dinge? 

Helena: Eigentlich nicht. Es bleibt kaum Energie übrig. Ich habe alle Sportarten, die ich vorher gemacht habe, für das Klettern aufgegeben. Aber wir haben unseren Hund – und wir sitzen oft zusammen und trinken Wein.

Tomáš: Ich muss bei all dem Training in meiner Freizeit entspannen. Ich mag Musik und dafür nehme ich mir schon ab und zu mal Zeit.

Könnt Ihr bei Euren harten Trainingsplänen immer motiviert bleiben?

Helena: Ich glaube es ist unsere Stärke, immer Spaß am Klettern zu haben.

Tomáš: Wir sind uns in einem Punkt sehr ähnlich: Wir lieben es zu Trainieren. Und wir tun es nicht nur, um zu gewinnen.

Und wie geht Ihr vor den Wettkämpfen vor? Habt Ihr einen festen Trainingsplan und einen Trainer?

Tomáš: Sie ist mein Trainer (lacht). Es ist heutzutage nicht mehr möglich ohne gezieltes Training zu gewinnen. Das Niveau ist einfach zu hoch.

Helena: Ich führe immer ein Trainingsbuch. Darin plane ich für uns die Wochen vor den Wettkämpfen.

Könnt Ihr Euch das Klettern als olympischen Sport vorstellen?

Helena: Es könnte gut sein, dass es irgendwann einmal olympische Sportart wird, aber das würde dem Klettern nicht gut tun. Derzeit ist es ein sehr sauberer Sport ohne Doping. Wir bekommen alle genug Geld von unseren Sponsoren und brauchen die Olympiade eigentlich nicht.


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